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Tag 22 - Fidenza - Medesano

Autorenbild: Brigitte WanderlustBrigitte Wanderlust

Aktualisiert: 30. Jan. 2023

Heute sitze ich wohl das erste Mal freiwillig IN die Bar und nicht davor. Es ist 16:30 und ich geniesse ein Bier - nachdem ich zuerst fast einen halben Liter Wasser getrunken habe. Ich trinke das Bier ja zum geniessen und nicht gegen den Durst.


Es ist 5:15, als ich den Wecker heute morgen abstelle. Es war heiss in dieser Nacht, aber ich habe trotzdem relativ gut geschlafen. Um halb 7 gehe ich aus dem Haus. Es ist angenehm heute morgen. Im Schatten der Bäume und Häuser, welche noch nicht allzuviel Hitze abstrahlen, verlasse ich die Stadt. Als ich eine Taube höre, schaue ich mich nach ihr um und entdecke sie auf einem Baum. Dabei sehe ich, wie sie für das erste guguu den Öberkörper nach unten neigt und für das nächste gu den Kopf wieder oben hat. 😄

Kleine Schönheiten am Weg


Ein paar Meter weiter bleibe ich stehen um auf die Karte zu schauen. Ich kann links über einen Wiesenweg oder aber gerade aus der Strasse entlang, die an einer Kirche ebenfalls ans Ende des Wiesenweg führt. Ich habe noch nicht fertig studiert, da hält ein Jogger neben mir. Er sagt, ich solle über die Wiese gehen und interessiert sich dafür, woher ich komme. Ich begegne heute einigen Sportlern. Ein paar wenige Jogger umd viele Radfahrer.. Vielleicht wäre Radfahren für meine Füsse auch besser. 😄 Immer mal wieder ruft mir jemand ein Buon Cammino zu oder hebt den Daumen. Das freut mich jedesmal aufs Neue.

Lange Schatten in der Morgensonne


Ich entscheide mich für den Wiesenweg und gelange danach über eine Strasse in ein kleines Wäldchen. Ich höre Frösche quaken und denke, da ist wohl ein Weiher hinter den Gebüschen. Schnell nehme ich meinen Mückenspray und trage ein wenig auf. Wobei die Mücken respektive ihre Stiche an meinem Körper, seit ich aus den Reisfeldern "raus" bin, ordentlich nachgelassen haben. Heute morgen habe ich nur einen neuen Stich entdeckt.


Um halb 8 trete ich aus dem Schatten der Bäumen an die Sonne. Rechts von mir raschelt etwas im Gebüsch. Evtl ein Hase? Oder eine Blindschleiche? Ich kann es nicht entdecken. Als ich jedoch meinen Blick wieder nach oben richte, sehe ich einen Käfer am Rand meiner Kappe. Freundlich klopfe ich an die Mütze und er fällt zu Boden (ich hoffe er hat den Sturz überlebt). Ich möchte keine Käfer an meinem Hut.

Schattige Wege im Wald


Um 9 Uhr mache ich das erste mal Pause. Ich setze mich bei einem geschlossenen Restaurant in den Schatten. Da mich am rechten Fuss etwas schmerzt, ziehe ich die Schuhe und Socken aus und bringe Blasenpflaster an. Irgendwie ist es ein wenig verhext. Meine beiden "Läuferchen" können sich einfach nicht so recht entscheiden, was sie tun sollen. Und vorallem können sie sich nicht einigen. Hat gestern der Linke eine Blase produziert ist es heute der Rechte, der auf etwas reagiert. Es ist schon erstaunlich, was für eine Auswirkung so eine verhältnismässig kleine Blase am Fuss haben kann... Wie gewohnt brauche ich nach der Pause wieder ein paar Minuten, bis ich mich an die neu angebrachten Pflaster gewöhnt habe. Ich gebe jedoch acht, nicht einen Schongang einzulegen. Das mag komisch klingen, aber ich denke es ist für den Körper besser.

Zum Weitergehen höre ich Musik, es läuft gerade der Redetzky Marsch.


Noch 3 Kilometer, bis ich ungefähr in der Mitte der heutigen Etappe ankomme. Auf der Strasse sehe ich einen kleinen Frosch. Ich stupse ihn mit meinem Wanderstock an und er hüpft zwischen meinen Beinen hindurch zurück ins Gras. Brav so.. Denn es fährt gerade ein Auto um die Kurve.

Hügelige Landschaft


Ich biege von der Via Francigena ab, um im Dorf eine Bar zu finden. Es ist die erste Möglichkeit heute. Es ist 10:05. Vor einer halben Stunde habe ich bereits eine Pause eingelegt und dabei Nüsse gegessen. Jetzt trinke ich einen Kaffee und bestelle ein Stück Kuchen. Der schmeckt lecker! Ich merke, wie ich gerade ein wenig emotional werde. Dass ich nicht selbstverständlich ohne Probleme drauflos gehen kann, sondern die Füsse mich herausfordern, ist wohl der Grund dazu. Und die Hitze ist vielleicht auch nicht ohne, obwohl ich recht gut damit zurechtkomme. Ich bezahle und verlasse die Bar. Ich denke es ist gut, wenn ich morgen einen Ruhetag einlege.


Es geht heute immer wieder etwas auf- und abwärts. Ich merke, dass ich das Aufwärtsgehen mag. Ich komme dabei in einen guten Rhythmus, setze meine Stöcke ein (ich gehe den ganzen Tag mit Stöcken). An der Ruine von Costamezzana vorbei, auf einer Anhöhe angekommen, gehe ich bei einem Haus an einem gedeckten Tisch vorbei. Es ist irgendwann zwischen 11 und 12. Sechs Servietten auf dem Tisch flattern im Wind.

Kirche in Costamezzana


Wieder abwärts gelange ich nach Cella. Ich mache erneut einen kurzen Halt. Danach geht es nach dem Überqueren einer Furt erneut steil aufwärts. Ich meistere auch das und stosse einen kleinen Freudenjuchzer aus. Im Ganzen, trotz all den Herausforderungen, überwiegt die Freude noch immer. 200 Meter vor mir hüpft ein Reh über die Strassen und durch das Feld in den nächsten Wald.


Um 13:25 passiere ich das Ortsschild von Medesano. Gerne würde ich die erste Bar besuchen, aber da der Pfarrer gleich weg muss beeile ich mich und bin 5 Minuten später in der Unterkunft. Ein angenehmes Bett erwartet mich, auf das ich mich nach dem üblichen Programm wie Wäsche und Dusche ein wenig hinlege. Jetzt, als ich so da liege, denke ich, es geht morgen wohl doch zum weiterwandern. Die Würfel sind noch nicht gefallen.

Aussichtsreicher Tag


Als ich mich 2h später aus dem Haus begebe bin ich wirklich froh, nicht mehr mit dem Rucksack unterwegs zu sein. Die Hitze drückt. Und darum sitzen ich nun IN der Bar und nicht davor..




 
 

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