Am Wandern während mehreren Tagen mag ich, jeden Tag ein Ziel zu haben und es zu erreichen - bestenfalls. Aber wenn ich nicht weiter gehen kann, so wie heute? Das kommt mir heute morgen in den Sinn, als ich die Vögel singen höre und selbst langsam erwache. Na, dann setze ich mir heute ein anderes Ziel. Und das lautet: ausruhen und gut zu mir sein. Es ist gut, wenn ich das zwischendurch bewusst tue.

Wie alt dieser Weg sein mag?
So liege ich erst noch ein wenig im Bett rum (es riecht nach Kaffee) ☕. Geniesse dann eine halbe Stunde auf der Schaukelbank, bevor die Sonne auch diesen Flecken Erde erreicht. Ein Hahn und zwei Hennen spazieren vorbei. Der Hahn spitzt die Ohren und sieht sich nervös um als er die Musik hört, die aus meinem Handy ertönt. Ein Eichhörnchen flitzt bis zum Baum vor mir, kehrt dann aber um und ist in nullkommanichts auf einem anderen Baum verschwunden.

Hahn im Korb
Um 10 Uhr gehe ich auf den Weg in Richtung Dorf. Die Unterkunft liegt ein wenig ausserhalb. Beim Gehen spüre ich eine Freude über die morgige Etappe. Und bin dankbar, dass ich für den Moment vom Gedanken des Leistens weggekommen bin, der da wohl in mir schlummert..

Die Gebäude der Kirche Pieve dell'Assunzione di Maria in Fornovo di Taro
In Fornovo angekommen orientiere ich mich kurz und setze mich dann zum Frühstück vor eine Bar. Während ich meinen Kaffee trinke, fällt mir ein Wegweiser zur Tourist Information auf. Da werde ich nachher mal vorbeischauen. Beim Bezahlen frage ich, ob Mittagessen möglich ist. Ich schaue die Karte an und beschliesse, später zurückzukommen. Das Frühstück bestand nur aus einem Kaffee und einem kleinen Gebäck.
Ich schlendere also zur Tourist Information. Der nette Herr reicht mir verschiedene Informationsbroschüren zur Via Francigena (die ich morgen in der Unterkunft liegen lassen werde). Er fragt mich, ob ich einen Stempel fürs Credenziale wolle. Erst verneine ich, komme dann aber auf sein Angebot zurück. Schliesslich bin ich auch heute auf dem Weg. Der Abdruck gefällt mir. Danach reicht er mir noch eine Flasche Wasser.

Das Innere der Kirche
22.5.2022 - seit dem Datum bin ich unterwegs. 24 Tage. Meine Haare habe ich in der Zeit mit Shampooseife (hart, en bloc) gewaschen. Sie fühlen sich ein wenig strohig und wirr an. Aus diesem Grunde trete ich in einen Coiffeursalon und erkundige mich, ob sie mir die Haare nur waschen und eine Maske auftragen würden. Zu meiner Freude haben sie gerade Zeit. Ich war davor schon 3x am Salon vorbei spaziert, alle drei Mitarbeitenden waren immer mit Kunden beschäftigt. So bin ich in dem Moment wohl der glücklichste Mensch in dem Salon. 😄
Während dem Shamponieren und der Maske rät sie mir zu Shampoo, Maske und einem Spray, der die Haare vor der Sonne schützen soll. Ich lehne dankend ab - alles was ich kaufe, wird im Rucksack mitgetragen...

Pilgerfigur am Ende der Brücke über den Fluss Taro
Beim anschliessenden Trocknen der Haare überkommt mich dann doch ein wenig die Ungeduld (ich lasse meine Haare mit wenigen Ausnahmen immer Lufttrocknen). In dem Moment weiss ich mich aber nicht zu verständigen. So halte ich still, lehne dann aber den Rat der Chefin, doch die Spitzen zu schneiden, mit einem Lächeln und den notwendigen Worten ab. Es ist mir nicht so wichtig, wie die Haare beim Pilgern aussehen... Es ist mir heute wichtig, etwas für mich zu tun.
Ich frage mich, ob der Coiffeuse bewusst ist, dass all die Arbeit die sie ins Frisieren steckt, nur einen halben Tag halten wird? Ich werde vom Zurückgehen zur Unterkunft heiss haben und evtl heute abend noch kurz duschen. Auf alle Fälle wäre dann das ganze Zeugs wie Schaum, Fluid und Spray 🧐 auch wieder draussen - was ich durchaus begrüssen würde.
Nach einem Spaziergang runter zum Fluss Taro kaufe ich in der Apotheke und im Lebensmittelladen noch ein paar Dinge ein. Unter anderem Pasta für den Abend. In den meisten Fällen ist es - wie heute - in den Unterkünften möglich, eine Küche zu benutzen.

Auch der Fluss führt wenig Wasser
Es ist 16:15 Uhr. Ich habe mein heutiges Ziel erreicht. Ich war gut zu mir, habe mir Sorge getragen, mich geschätzt und den Tag genossen.
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