Nach der gestrigen langen Etappe schlafe ich heute erst mal bis kurz nach 8. Irgendwann zwischen 5 und 6 bin mal aufgewacht, habe den Schlaf aber wieder gefunden. Ich bin froh, habe ich den Weg zum Bed and Breakfast gestern unter die Füsse genommen. Ich habe in dem kleinen und kühlen Zimmer besser geschlafen als die Nacht davor im Schlafsaal des Ostello.
Nach dem Frühstück und Dinge packen ist es 10 Uhr, bis ich mich in Groppodalassio auf die ersten Meter der heute 10km langen Etappe begebe. Ich fühle mich gut, meine Beine zeigen praktisch keine Müdigkeitserscheinungen und mein Knie verhält sich auch ruhig.

Steinbogenbrücke
Es geht zuerst 5 Minuten abwärts bis zu einer Steinbogenbrücke aus dem Mittelalter. Heute ist der Tag der Brücken. Ich überquere... ungefähr deren 5. Alle sind aus Stein, keine schaukelt so wie die von gestern. Meine Zielortschaft heisst übrigens Pontremoli. Das kommt von "Ponte" und "tremare" was übersetzt "zitternde Brücke" bedeutet. Der Ort liegt zwischen den Flüssen Fiume (Fluss) Magra und Torrente (Bach) Verde.
Der Weg führt aufwärts ins Dorf Casalina. Ein Dorf ohne Zeit - am Kirchturm ist nur ein leerer runder Platz, dort wo ich eine Uhr erwarten würde.

Blick auf Casalina
Der heutige Weg führt lange Zeit, gemäss Reiseführer, auf einem Jahrhunderte alten Handelsweg dahin. Ich mag die Etappe. Die grossen Steine fühlen sich angenehm an unter meinen Füssen. Ich geniesse das Gehen und bin ganz bei mir. Auch ist es die meiste Zeit schattig. Erst als ich in den Abstieg einsteige, bin ich etwas mehr der Sonne ausgesetzt. Und erst dann lasse ich ein wenig Musik laufen. Da ich im November am Musical Martin Luther King in St. Gallen in einem grossen Chor singen werde (und ein wenig üben möchte), klingen nun jene Lieder aus meinem Handy.

Handelsweg
So gehen die 10km unter meinen Füssen dahin - oder ich über sie. Es ist oft ruhig, Strassenlärm ist nur selten zu vernehmen und auch sonst gibts keine Geräuschkulisse. Abgehen von den natürlichen Klängen wie Vögel, Wind, Schlangen- und Eidechsen-Rascheln,... Und der Musik 😅

Ausblick beim Abstieg
Für eine kurze Zeit folge ich einem Teersträsschen, bevor der Weg wieder in einen Wald abbiegt und sich zwischen Steinmäuerchen fortsetzt. Nach der Ortschaft Toplecca geht es aufwärts, gemächlich, Richtung Passo della Crocetta. Um 11:40 Uhr komme ich oben an, mache 20 Minuten Pause, trinke etwas und esse ein paar Nüsse. Das war der letzte Anstieg der heutigen Route. Es gibt eine kleine Kirche, die offensichtlich schon lange nicht mehr benutzt wurde. Zumindest sagt das ein Blick durch die Gitterfenster, die schon zu rosten beginnen. Als ich bei der kleinen Kirche ankomme, huscht eine Eidechse in den Schlitz mit der Überschrift Offerta...

Passo della Crocetta
Danach wandere ich eigentlich nur noch abwärts, entlang von kleinen Rebbergen und Olivenhainen. Die Olivenbäume tragen erst gaaaanz kleine Früchte. Wenn überhaupt. Am Ende des kleinen Dorfes Arzengio gehe ich 20 Meter in die falsche Richtung. Ein Mann weist mir den Weg. Eine Minute später höre ich einen Korken knallen. Na dann Prost! Bei mir gibt es heute ein Bier, aber erst 3h später..

500 Meter vor meinem Ziel, in der ersten Gasse von Pontremoli setze ich mich draussen bei einer Bar hin. Nach einer halben Stunde mache ich mich auf den Weg ins Zentrum des Ortes, gehe ein wenig umher. Irgendwann gegen halb 4 kommen ein paar weitere Pilger an und wir trinken ein Bier. In einer halben Stunde geht es auf den Weg zum Abendessen.

Pontremoli
Morgen steht mit mehr als 30km wieder eine anspruchsvolle Route auf dem Programm. Die Höhenmeter halten sich mit +/- 500-600 in Grenzen. Ds ich in einem Kapuzinerkloster übernachte und es hier Einzelzimmer gibt bin ich zuversichtlich, dass ich gut schlafen werde und morgen voller Energie die nächste Etappe in Angriff nehmen kann. 🤞🏻
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