Heute habe ich den Gedanken, dass ich mit dem Gehen vielleicht das Bleiben verlernt habe. Das "bei sich bleiben" erfordert Übung, zumindest für mich. Und was ist mit "an einem Ort bleiben"? Oder im Jetzt?

Am Strand
Um 8 Uhr bin ich ready und mache mich von der Unterkunft auf den Weg in die Innenstadt. Gestern Abend hat es auf einer Piazza ein Konzert gegeben, das ich gerne gesehen hätte. Start war gemäss Plakat um 21h. Um 21:35 stand ich von meinem Stuhl auf, da auf der Bühnen noch nichts lief, und ging zurück zum Ostello. Es wäre mir zu spät geworden, war ich doch müde vom Tag.
In der Innenstadt frühstücke ich nun, besichtige den Dom und gönne mir kurz ein wenig Ruhe. Mit dem Zug fahren ich anschliessend nach Pietrasanta und weiter nach Camaiore. In Camaiore gehe ich 2,5km der Strasse Richtung Meer entlang. Das ist mein Ferienplan für heute - Ferien vom Wandern 😅 Ich beobachte, wie meine Gedanken sich schon darum kümmern, was ich als nächstes tue und wie ich den Tag noch gestalte. Anstatt einfach anzukommen am Meer.... Ich habe Mühe im Jetzt zu bleiben. Als es mir bewusst wird konzentriere ich mich auf die Gegenwart. Die Strasse. Die Autos.

Dom in Pietrasanta
Nachdem ich an der Strandpromenade etwas gegessen und festgestellt habe, dass das Riesenrad stillsteht, kaufe ich Bustickets. Der Bus wird mich zu meinen nächsten Ausgangsort Richtung Lucca bringen. Ob heute oder morgen entscheide ich erst später.
Ich spaziere in dem Touristenort die Promenade rauf und runter. Sie ist auf der einen Seiten von Hotels, auf der anderen von Badeanlagen gesäumt. Ich betreten eine solche Badeanlage, bezahlen und gehe zu meinem Platz Nr. 7 und lege mich hin. Ich schliesse die Augen und höre das Meer. Die Liegestühle unter den Sonnenschirmen sind noch leer. Der Himmel ist heute bedeckt, so dass die Sonne nicht in ihrer vollen Kraft brennt.

Drachenverkäufer am Strand
Ich entscheide mich, heute noch mit dem Bus nach Valpromaro zu fahren. Deshalb rufe ich die Unterkunft an und reserviere einen Schlafplatz. Ob ich denn mit ihnen essen wolle? Ja das möchte ich gerne. Doch geniere ich mich, offen gesagt, doch ein wenig, vor dem Ostello aus dem Bus zu steigen und hoffe insgeheim, dass mich niemand sieht (Übungsplatz für "bei mir bleiben").
Nachdem ich im Meer gebadet und mit dem Arm wohl eine Qualle berührt habe, setze ich mich wiederum auf meinen Liegestuhl und geniesse das Rauschen des Wassers. Ich schlafe eine gute halbe Stunde. Langsam füllen sich die Liegeplätze und Stimmen dringen zu mir durch.
Zufrieden verlasse ich meinen Platz, ziehe mir wieder das Wandertenue über und befreie meine Füsse vom Sand.

Warten auf Gäste
Das Riesenrad läuft nun. Ich kaufe mir ein Limoneneis und dann das Ticket zur Aussicht. Ich staune nicht schlecht, dass ein paar mal in der Gondel rundherum 7 Euro kostet.
Um 17:31 fährt mein Bus. Ich frage den Chauffeur bezüglich Umsteigen. Und bin froh zu erfahren, dass er auch "meinen" Anschlussbus fährt. So werde ich ihn sicher nicht verpassen. Es ist die letzte Möglichkeit, heute mit dem öV ins Ostello zu gelangen.

Nichts als Liegestühle. Und Meer..
In der Unterkunft in Valpromaro angekommen begrüssen mich zwei Freiwillige, die diese Woche das Ostello betreiben. Ich bin heute der einzige Pilger und habe zwei Schlafsääle für mich alleine. Zum Abendessen kocht Loris (der in Uster geboren aber in Italien aufgewachsen ist) Risotto. Dazu gibt es ein Glas Wein, Wasser und Salat.
Und ich denke noch, dass ich das Bleiben wohl nicht verlernt habe, mich stattdessen in einem anderen - meinem - Rhythmus befinde. So wird aus dem Plan, zu gehen, ein Bleiben und umgekehrt (gestern sachte ich noch, zwei Tage am Strand zu verbringe).
Der Plan für morgen ist, weiterzugehen. Ca 4h Weg bis nach Lucca. Ich bin froh jetzt ins Bett zu gehen (und dort eine Nacht zu bleiben). 😄
Bin auch auf dem Übungsplatz „bei mir bleiben“ anzutreffen 😌