Es ist Zeit, zu geniessen. Das wird mir heute bewusst. Ich starte nach einem Kaffee um 6 Uhr in Bolsena und bin um 5 nach 10 schon wieder 17 km weitergekommen. Es ist schön, früh anzukommen. Zum einen ist es noch nicht so heiss, zum anderen kann ich den Nachmittag ausspannen. Das sind Etappen, die mich die Tage geniessen lassen. Auch die langen und herausfordernden Etappen sind genussvoll, auf ihre Art und Weise. Vermutlich hat letzten Endes jeder Tag seinen Reiz.

Ob ich durch das Tor hinein oder hinaus gehe?
Weg vom Dorf Bolsena geht es erst mal ein wenig aufwärts. Das Ziel Montefiascone liegt knapp 300 Meter höher als der Ausgangspunkt. Während der kommenden 4h werde ich immer mal wieder aufwärts und abwärts gehen. Und geradeaus :). Das pfeifen der Vögel ist meine Morgenmusik, gemischt mit Rauschen von Wasser, das in einem kleinen Bach dahinfliesst. Später komme ich an zwei kleinen Wasserfällen vorbei.

Gut ausgeschilderte Wege
Auf dem Weg liegt ein totes Stachelschwein. Es ist beeindruckend gross und die Stacheln lang. Sie erinnern mich irgendwo an Mikado.
Sr. Ruth im Kloster von letzter Nacht war sehr nett und offen. In mir bildet sich der Gedanke, dass es, je länger ich unterwegs bin, wichtig ist, "Pensionen und Unterkünfte mit Herz" benutzen zu können. In denen mich willkommen fühle.

Diese Blume gefällt mir
Unter mir taucht immer mal wieder der Lago di Bolsena auf. Er schimmert hellblau im Morgenlicht. Der heutige Weg führt in der Höhe entlang des Sees ans südliche Ende.
Heute morgen habe ich mehr als einen Liter Wasser in meinen Rucksack verstaut habe. Es hat nicht allzuviele Wassermöglichkeiten, hingegen ist es eine relativ kurze Etappe und nicht so heiss. Es mag unbewusst damit zusammenhängen, dass ich gestern über die Wasserknappheit in einigen nördlichen Regionen Italiens gelesen habe..

Rebberge hoch über dem See
Somit und vielleicht auch weil das Ziel mit jedem Schritt näherkommt, fühlt sich der Rucksack heute schwerer an als sonst. Ich habe gestern die Wanderschuhe umgepackt (hatte ich das erwähnt?). Mal abgesehen vom Rucksack frage ich mich, wie ich mit Schwerem umgehe. Nehme ich es näher zu mir, um es anzunehmen, zu akzeptieren? Auf eine Art eins zu werden (wie mit dem Rucksack, der mit der Zeit einfach auf meinen Rücken gehört). Oder stosse ich es weg, was vielleicht mehr Energie erfordert? Ich kann an den Gurten des Rucksack ziehen, oder sie lockern, damit er angenehm auf meinem Rücken platziert ist, die Last verteilt ist. Was sind solche Gurten im Leben, im Umgang mit Schwierigem?

Schöne Wege durch die Region Latium
Vorbei an Villen habe ich wiederum einen schönen Ausblick auf den See. Einige der Villen scheinen mir unbewohnt zu sein. Ich höre in der Ferne Hunde bellen, was mir ebenfalls schon eine ganze Weile nicht mehr aufgefallen ist.
Eine Stunde nach meinem Aufbruch heute biege ich in einem kleinen Wald um die Ecke. Vor mir leuchten die Blätter grün in den Sonnenstrahlen. Spinnennetze schimmern silbrig in den Gebüschen.

Picknickplatz mit Aussicht
Irgendwie ist heute der Tag der Beobachtungen. Als ich die rechts von mir liegenden Rebberge sehe, habe ich erst den Eindruck, es handle sich um wildes Gebüsch. Erst beim Weitergehen und dem damit verbundenen ändern des Blickwinkel sind die einzelnen Reihen sichtbar.
Kurze Zeit später erinnert mich ein Schild zu einer Wasserstelle daran, dass ich das mitgetragene Wasser auch dem Körper zuführen könnte. Was ich gleich darauf ein wenig tue (und die Flasche nicht wieder auffülle).

100 km...
Kurz nach 10 Uhr erreiche ich Montefiascone. Mehrere Schilder weisen darauf hin, dass es von hier noch 100 km bis Rom sind. Was ich nicht ganz verstehe. Denn vor mir liegen noch 130 km.
So beziehe ich nach wunderbaren Ausblicken auf den Lago di Bolsena, einem Kaffee und dem Besuch der Basilika Santa Margherita mit unglaublicher Akustik die heutige Unterkunft. Es ist schön kühl hier drin. Es gibt vier Kajütenbetten, je zwei und zwei mit Holzwänden abgetrennt. Das ist angenehm, da es ein wenig Privatsphäre schafft.

Lago di Bolsena
Nun habe ich ein wenig ausgeruht, verspüre Hunger und stehe wohl bald wieder auf, um das Dorf auszukundschaften. Es ist 14:30 und nicht ganz so heiss wie in vergangenen Tagen.
Es zieht gerade ein Gewitter auf.
Wandertag 40
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