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Tag 9 - Cupramontana - Cingoli

Autorenbild: Brigitte WanderlustBrigitte Wanderlust

Gestern Abend, und eigentlich auch schon vorgestern, habe ich mir die Frage gestellt, ob ich heim fahren soll. Seit zwei, drei Tagen trage ich nicht nur meinen physischen, sondern auch einen emotionalen Rucksack. Ich fühle mich emotional etwas schwach und sehne mich nach den gewohnten vier Wänden zuhause.


Heute morgen entscheide ich mich, weiterzugehen. Mal den einen Tag. Heute. Und am Abend werde ich weitersehen. Ich kann einen Tag um den anderen entscheiden, was ich tun möchte. Das gibt mir in den Schulterriemen meiner beiden Rucksäcke ein Gefühl von Freiheit.


Wiederum schöne Landschaft


Kurz vor acht Uhr mache ich mich auf den Weg. Ich habe diese Nacht nicht so gut geschlafen, noch um viertel vor elf habe ich die Bewohnerin oberhalb meines Zimmers singen hören.

An der Abbazia del Beato Angelo gehe ich vorbei. Zusätzliche Zeit nehme ich mir lieber später, um einen kleinen Umweg zu einer Bar zu gehen. Durch ein auf und ab führt der Weg eine Stunde später zu einem Weizenfeld, durch das es aufwärts geht. Es sind Spuren ausgefahren, der Weizen steht hoch. Ich bin froh um meine Wanderschuhe und vorallem die lange Wanderhose. Beides ist nass, als ich wieder aus dem Weizenfeld trete. Doch es trocknet bald.


Eine halbe Stunde später komme ich an einem Haus vorbei. Eine beginne mit der älteren Frau ein Gespräch und sie fragt, ob ich denn alleine keine Angst hätte. Mit dem Alter sei bei ihr die Angst gekommen. Nein, antworte ich getrost. In der Tat ist Angst etwas, was ich die Tage nicht spüre (und auch sonst sehr selten). Und wenn ich mal etwas hinter mir höre und mich umdrehe, sind es nur meine Haare, die auf dem Rucksack hin und her "rascheln".


Zwischenziel Apiro


Kurz nach 10 ist es dann also soweit und ich gehe in das Dorf Apiro, da es auf dem heutigen Weg die einzige Möglichkeit ist, Wasser nachzufüllen. In der Bar esse ich ein Cornetto und kaufe eine Flasche Wasser, mit der ich meinen Trinkbeutel fülle.

Weiter gehts Richtung Hügel Montaione. Nicht so hoch, 649 Meter über Meer. In der Höhe von 590 Meter umgehe ich den höchsten Punkt und mache mich wieder auf den Weg abwärts. Hinter mir ziehen die Wolken am Himmel auf und es sieht ein wenig nach Regen aus. Der wird später auch noch fallen, aber erst, als ich nach der Dusche gemütlich auf dem Bett liege.


Blumen am Wegrand


Immer wieder, wenn ich so dahin gehe, höre ich am Wegrand ein Rascheln. Ich denke, oft sind es Eidechsen die kurz flüchten und wieder rauskommen, wenn ich weg bin. Ich bin froh um meine neu besohlten Schuhe die mich ohne grosse Mühe über den doch etwas steinigen Weg tragen.

Als es 12 Uhr ist, überquere ich gerade ein kleines Bächlein und denke, dass dies vielleicht ein Zufluss (Zuflüsschen?) zum Lago di Cingoli sein könnte. Ich hoffe, später noch einen Blick auf den See zu erhaschen. Beim Überqueren einer Autobrücke stelle ich jedoch fest, dass ich nur eine Staumauer sehe. Und erinnere mich, im Buch etwas vom grössten künstlich angelegten See in den Marken gelesen zu haben.


Lago di Cingoli


Gute 45 Minuten später esse ich vor dem letzten Anstieg eine Banane und entscheide mich, von da bis zu meiner Unterkunft nicht dem offiziellen Weg zu folgen sondern eine kürzere Route einzuschlagen die auch noch etwas flacher ausfällt als der ausgezeichnete Weg. Ausgezeichnet hilft mir dabei auch eine App, mit welcher ich weltweit von meinem Standort Wege zu einem Ziel finden kann.


So gelange ich nach einem kurzen Aufstieg im Wald auf einen ebenen schönen Weg. Es gibt auf diesem zwar weniger Aussicht nach Aussen, dafür vielleicht mehr Einsicht nach Innen.


Wenig Weitsicht


Nach einem letzten Aufstieg für heute erreiche ich kurz vor 14h meine Unterkunft. Ein Agriturismo etwas ausserhalb von Cingoli. Nach einem Bier, einer Dusche und einer Stunde schlafen sitze ich nun gemütlich in einem Sessel und werde bald zum Abendessen ins Dorf gefahren.


Ich fühle mich ruhiger und freue mich nun auf das Abendessen.


 
 

1 Comment


Guest
May 13, 2024

Liebe Brigitte

Deinen vier Wänden und dem Vierbeiner darin geht es gut. Ich hatte das Gefühl, dass Dich Vivaldi auch in den ersten Tagen vermisst hatte. Jetzt, mit den höheren Temperaturen und dem Sonnenschein, kann ich abends mehr Zeit bei ihm verbringen, und er scheint sich an die neue Situation gewöhnt zu haben. Ich hoffe, auch Dein emotionaler Rucksack ist heute ein bisschen leichter geworden.

Ganz liebe Grüße

silke:-)

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